© Jens Schulze

An[ge]dacht - Andacht - Ofdanken

Neuland

Seit zwei Monaten leben wir nun im Rheiderland. Ja, der Zauber des Neuanfangs wirkt. Jeden Tag gibt es eine „Zum-ersten-Mal-Begegnung“ das ist spannend, aufregend und wenn man wirklich nur freundlichen Menschen wie hier begegnet, ist das sehr beglückend. Zugleich aber wundert man sich, wie aufwendig so ein Umzug ist. Man kann nicht einfach auf dem Amt einen Hund ummelden. Den muss man erstmal abmelden, und dann kommt die ganze Latte an Dokumenten, die man sich besorgen muss, um sie dann vorlegen zu können. Da kann man viel bei lernen und braucht sehr viel Zeit, um das alles zu bewerkstelligen. Auch das Auto muss umgemeldet werden. Dazu braucht man einen Versicherungsnachweis, den man als Vertrag eigentlich in seinem Ordner parat hat. Der reicht aber nicht. Man braucht zur Ummeldung eine eVB-Nummer, die man bei seiner Versicherung beantragen muss – wenn man sie er-reicht. Als Sparfuchs habe ich damals diese Versicherung online abgeschlossen. Nach zwei Wochen erfolgloser Kontaktaufnahmeversuchen ist es meiner Frau heute gelun-gen nach nur zehn Minuten Warteschleife jemanden zu erreichen. Jetzt sollte es end-lich klappen. Aber ich wette, morgen wird es wieder eine unangenehme Überra-schung geben, wo ein vermeintlich einfacher Vorgang sich als schwieriger erweist als gedacht. Ich könnte aus dem Nähkästchen plaudern und Ihnen tausend Geschichten erzählen, wo wieder etwas nicht funktionierte. Das drückt die Stimmung. Und ich ha-be das Gefühl, dass ich damit nicht alleine bin. Die Segnungen der Computertechnik erweisen sich als Fluch, wenn wieder mal kein Passwort da ist oder die Benutzerober-fläche einem wie ein Rätselbuch vorkommt. Nein, ich will nicht zurück in die Steinzeit, und früher war auch nicht alles besser. Aber wenn man für die Benutzung eines Eierkochers ein Handbuch braucht, wird das Leben anstrengend. Was soll ich nur tun? Wir sind doch in Deutschland, dem Land der Perfektionisten. Ich bin es gewohnt, dass alles klappt wie am Schnürchen. Oder hat sich unser Land geändert? Oder habe ich ein Anpassungsproblem? Ich möchte gerne, dass alles funktioniert. Und wenn das nicht der Fall ist, dann möchte ich, dass das geändert wird. Schuldige finde auch ich immer ganz schnell. Ganz tief in mir sitzt der Wunsch, dass sich die Welt um mich dreht. Dann erst bin ich zufrieden. Da bin ich ganz deutsch. Sie auch? Aber es könnte ja sein, dass ich von der Welt viel zu viel verlange. Vielleicht will sie sich gar nicht um mich drehen? Vielleicht wäre es besser, wenn sich bei mir was dreht und ich meine Einstellung zur Welt ändere. Wahrscheinlich ist die Welt gar nicht so vollkommen, wie ich sie mir immer wünsche. Nur wir müssten uns hier daran gewöhnen, wie so viele Menschen anderer Kulturen, die es nie anders kennen gelernt haben. Wie wäre es denn mit Tiefenentspannung oder einem Wort Jesu, der mal sagte: Wer von euch kann durch Sorgen sein Leben auch nur um einen Tag verlängern? 26 -  Wenn ihr nicht einmal so eine Kleinigkeit zustande bringt, warum quält ihr euch dann mit Sorgen um all die anderen Dinge? 27 -  Seht euch die Blumen auf den Feldern an, wie sie wachsen! Sie arbeiten nicht und machen sich keine Kleider, doch ich sage euch: Nicht einmal Salomo bei all seinem Reichtum war so prächtig gekleidet wie irgendeine von ihnen (Lk. 12,25-27). Ich glaube, Jesus hat recht. Durch meine Aufregung ändert sich nichts in der Welt. Nur die Stimmung wird noch schlechter als sie schon ist. Also lassen wir das Meckern und freuen uns einfach an allem, was gut klappt. Denn das gibt es ja auch. Aber das ist nicht selbstverständlich. Und ich orientiere mich an Kulturen, die sich schon länger daran gewöhnt haben, dass diese Welt einfach nicht perfekt ist und niemals perfekt sein wird. Und wenn wir uns weiterhin freundlich begegnen, geduldig und respektvoll miteinander umgehen, dann ist es doch gar nicht so schlecht im Neuland.

Pastor Bernd Passarge
[Gemeindebrief Nr. 146 - Frühling 2024]

Wir leben nicht in einer heilen Welt.

Liebe Leserinnen und Leser.
Die letzten Monate des Jahres führen uns Abschied und Neubeginn vor Augen. Am Volkstrauertag nehmen wir seit 1945 Abschied vom Nationalismus, der unser Land immer wieder in Kriege geführt hat. „Nie wieder Krieg“ hat für die große Mehrheit in unserem Land auch „Nie wieder Nationalismus“ bedeutet und uns zu Europäern gemacht. Seit dem Balkankrieg haben wir zugleich lernen müssen, dass „Frieden schaffen ohne Waffen“ nicht möglich ist. Mit Waffen jedoch leider auch nicht. Der Ukraine-Krieg und die Gewalt im Nahen Osten machen uns ratlos. Wie kann man sich versöhnen mit jemand, der das gar nicht will? Müssen wir uns auch von dem Gedanken verabschieden, dass Menschen eine friedliche Welt schaffen können?
Ratlos blicken viele auch am Totensonntag auf das Schicksal der Menschen, die ihr Leben begleitet haben. Sie sind dankbar für die gemeinsame Zeit und zugleich enttäuscht, dass Krankheit und Leiden einem glücklichen Leben ein frühes Ende bereiten können. Wir leben nicht in einer heilen Welt.
In unseren Gottesdiensten machen wir uns jedoch bewusst, dass unser Leben Teil des Reiches Gottes ist, in dem Gott vollendet, was in unserem sichtbaren Lebensabschnitt unvollendet bleiben muss. Das hilft, Abschied und Ratlosigkeit auszuhalten. Aus der Hoffnung auf Gottes Zukunft entsteht neue Kraft für die zuversichtliche Gestaltung unserer Gegenwart.
Anschaulich wird dies besonders in der Adventszeit: Das Licht der Kerzen, die Lieder der Vorfreude und die biblischen Texte der Hoffnung erfüllen unser Herz mit Zuversicht. Sie machen uns bereit für ein Weihnachtsfest, mit dem Gott uns sagt: Ich bin für euch Mensch geworden; ich nehme euch mit auf den Weg durch euer Leben und schenke euch in meine Zukunft. Und bevor das Jahr zu Ende geht, sind wir bereits unterwegs in eine neue erfüllte Zeit.
Albrecht Köstlin-Büürma

[Gemeindebrief Nr. 145 - Winter 2023/2024]

Sömmertiedsleed na Pessalm 103

Ofdanken
Sömmertiedsleed na Pessalm 103
Dat eerste Maal, as he mi in mien Hannen kwamm, satt ik up mien Ledekant. Denn, later na ´t Fröhstück, was dat dat twede Maal, dat he bi mi was. En darde Maal denn in de Kark. Dreemaal an een Mörgen! Waarvan ik proot? Van Psalm 103.
De Woorden hebben mi anröögt. De Pessalm geiht so: „Pries Gott, mien Seel! Mien Binnerst sall sien Naam hillig hollen. Pries Gott, mien Seel, un vergeet nich, wovööl Goods he di daan hett. He vergifft di all dien Sünnen un maakt di gesund, wenn du labeet büst. He hett dien Leven vör ´t Verdarven bewahrt un lett van Harten Goods over di komen. He lett dien Mund van Bliedskupp singen, un du warst weer jung as ´n Adler…”
Wat een mooi Begünn van disse Pessalm. Gott Loff seggen, hum danken un to Ehr luudhals singen. Geiht dat immer so eenfach? Mi komen daar Twiefel. Wenn du labeet büst – ik meen, wenn di een Krankheid so richtig to packen hett, di so richtig an de Grund smeten hett – kannst du denn Lofflieder singen? Ik denk wall van nich.
Disse Pessalm is abers schreven worden van een, de sien Süük overstahn hett. He is weer gesund. He is bewahrt bleven. De Süük hett he nich vergeten. Man nu freit he sük overmaten over sien grood Glück, weer gesund to wesen. Mi geiht dat ok so. Een Süük hett mi to packen kregen. Ik was düchtig labeet. Behannelns, Operatioon un wat daar all up mi daal komen is. Man nu bün ik weer gesund. Nu sitt ik mennigmaal an d‘ Avend up de Terrass in d‘ Avendsünn un frei mi over dat, wat ik to sehn krieg. De Vogels an de Futterkast. Se strieden sük af un an um Körrels, de ik daar instreit hebb. De Immen un anner Deren, de an de Blössems van de Blömen hör Futter halen. Un denn later de Nachtkeersen, de bi Dag utsehn, as wenn se utbleiht bünd, se gahn up un lüchten sünnengeel in de Avendtied. Nachtfalters finnen hier hör Futter. Un denn later, de Schummertied is vöranschreden, dann scheten se dör de Lücht – Fleddermusen. Du kannst heel nich so gau kieken as de daar rumsusen. Wat ´n Aarigheid! Un dat allns kann ik weer beleven. Ik bün bewahrt bleven. Ik dürt leven!
Un nu kann ik mit de Schriever van de Pessalm 103 in sien Loffgesang instimmen.
Ik kann Gott Dank seggen, ik kann een Loffleed singen – ok wenn ik nich so recht singen kann. Man wat mien Tung nich tostann brengt, dat kann mien Hart.
Leve Lüü, de ji nu disse Woorden lesen köönt, ji köönt disse Tied geneten. Freit jo an de Vogels in jo Tuun, an de Immen un anner Krabbelderen in de Blössems van de Blömen. Un wenn ji mörgens heel froh up de Bedd liggen doot un de Fenster in jo Slaapkamer open is, denn lüstert up de Gesang van de Vogels. Se singen hör Mörgenleed blot för jo. Un denn stimmt mit in, in de Woorden van de Pessalm 103: „…Priest Gott, all de he in ´t Leven ropen hett, waar ji ok sünd in sien Riek. Ok du, mien Seel, pries Gott, de Herr!“

Johannes Willms Prädikant in Bunde

[Gemeindebrief Nr. 144 - Sommer & Herbst 2023]

Das ist gut, das ist gut genug für ein Leben

Liebe Leserin, lieber Leser,
vermutlich stimmen Sie mir da zu: Der schärfste Kritiker meines Handelns und Lebens steckt oft in mir selbst, nach dem Motto: Hier hättest du dieses noch und da hättest du das auch noch schöner, besser und ausgefeilter machen können.
Manchmal bleibt von der inneren Freiheit, die dem Christenmenschen in seinem Glauben durch Gott zugesprochen ist, nicht viel übrig. Wie wohltuend ist dann die Stimme, die in Zeiten der Aufregung, der Hektik und größter Verunsicherung sagt: Es ist gut. Verlange nicht mehr von dir, als du in der Lage bist zu leisten, denn es ist gut – gut genug für ein Leben.
Wie gehst du mit dir um? Wie begegnest du den Menschen um dich herum? Wie gehen wir als Menschheit mit unserer Umwelt, mit Gottes Schöpfung um?
Woher nehmen wir die Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit? Wonach sehnen wir uns?
Ich erinnere mich an ein Lied von Sabine Simon (Text) und Bea Nyga (Melodie) zum Weltgebetstag vor einigen Jahren:
„Nicht mehr als die tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit  und Augen voller Liebe für die Ängste  dieser Zeit.
Nicht mehr als die täglich neue Frage nach dem Ziel  und eine Hand, die Antwort geben will:
Das ist gut, das ist gut genug für ein Leben!“

Gott ist das Leben und deshalb: Weil wir Menschen atmen und leben, steckt ein Stück Gottes in einem jeden und einer jeden von uns. Das ist gut und reicht für ein Leben. Ich brauche es nicht immer besser und ausgefeilter zu machen. Ich gebe, was ich kann, und das ist gut genug.
„Nicht mehr als ein Schulterklopfen nach dem großen Streit und Friedenszeichen durch den Zaun der Selbstgerechtigkeit.
Nicht mehr als ein Wort, das auch am nächsten Tag noch zählt und eine Haut, der Zärtlichkeit gefällt:
Das ist gut, das ist gut genug für ein Leben!“
„Nicht mehr als eine leise Hoffnung auf die Ewigkeit und manchmal eine Melodie aus einer alten Zeit.
Nicht mehr als sekundenlanges Ahnen, dass es lohnt und Heimat, die schon in  mir wohnt: Das ist gut, das ist gut genug für ein Leben!“

Mit offenen Augen durch die Welt: Streit und Selbstgerechtigkeit nicht das letzte Wort behalten lassen, auch wenn sie es so gern behielten. Stattdessen: Hände, die einander halten, und das Gefühl, bei sich und in dieser Welt angekommen zu sein. Gott sagt:
„Das ist gut; das ist gut genug für ein Leben.“

Es grüßt Sie herzlich
ihr
Rolf Kemner
Pastor i. R.


[Gemeindebrief Nr. 143 - Frühling 2023]

Gott wird nicht arbeitslos

Liebe Leserin,
lieber Leser,

in Amerika sitzen in den Wochen vor Weihnachten in den Kaufhäusern Weihnachtsmänner, die die Kinder der Kunden einladen, zu ihnen auf den Schoß zu klettern und ihnen ihre Weihnachtswünsche ins Ohr zu
flüstern. Vor einigen Jahren ereignete sich dabei in einem New Yorker Kaufhaus Folgendes: Ein
sechsjähriges Mädchen kletterte also dem Weihnachtsmann auf den Schoß … und kam gar nicht wieder herunter. Es redete auf den Mann ein, fragte, hörte zu und redete wieder. Als es schließlich herunterkletterte, fragte die Mutter etwas vorwurfsvoll: „Kind, was hast du denn die ganze Zeit erzählt?“ Darauf die Kleine: „Mama, ich weiß doch, dass er nach Weihnachten arbeitslos ist, und da habe ich ihm von der Stelle in Papas Büro erzählt, die nächstes Jahr frei wird.“
Nach Weihnachten ist der Weihnachtsmann arbeitslos! Offenbar dachte das Mädchen den
Weihnachtsmann als ganz normalen Berufstätigen, der eben nur vor Weihnachten Arbeit hat und nach dem Verteilen der Geschenke den Rest des Jahres nichts zu tun hat. Es hat sich erstaunliche Gedanken darüber gemacht, was denn nach Weihnachten aus Weihnachten wird. Wie denn Weihnachten und der Alltag danach zusammenpassen.
Zu Weihnachten sind wir in besonderer Weise geneigt, aus unserem Alltag herauszutreten und die Probleme, die uns belasten, einmal zu vergessen und hintenan zu stellen. Das gehört zu einem Fest dazu - den einen gelingt das, anderen nicht so gut. Wem es gelingt, für die oder den ist es wie ein Atemholen der Seele, das wir alle einmal brauchen.
Aber Weihnachten löst unsere Probleme nicht: Wer vor Weihnachten arbeitslos ist, ist es vermutlich nach Weihnachten auch noch. Und die ganzen anderen drängenden Probleme bei uns zu Hause, in
unserem Land und in der Welt werden wohl nach dem Fest immer noch da sein. Aber Weihnachten kann uns Mut machen, mit dem, was uns Sorgen macht, anders und neu umzugehen. Zu Weihnachten reden und hören wir von der „Menschwerdung Gottes“. Das heißt, Gott ist Mensch geworden, um sich einzumischen. Er löst nicht einfach unsere Probleme, aber erarbeitet mit uns und durch uns daran.
Also ist es ganz anders als beim Weihnachtsmann: Gott wird nach Weihnachten nicht arbeitslos.
Im Gegenteil. Diese Botschaft will uns gelassener und mutiger machen auf unserem Weg durch die Advents- und Weihnachtszeit in diesem Jahr.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihr
Rolf Kemner
Pastor in Weener und Bunde

[Gemeindebrief Nr. 142 - Winter 2022]

Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das Leben siegt

Liebe Leserin, lieber Leser,
wie können wir Ostern feiern angesichts der kaum zu ertragenden Schreckensbilder, die wir schon seit etlichen Wochen täglich ins Haus geliefert bekommen? Wie können wir die Botschaft der Auferstehung Jesu verkündigen in einer Welt, in der ein Tyrann und seine Unterstützer sich immer weiter in eine irre Welt mit Todfeinden und immer brutalerer Gewalt gegen diese Feinde versteigen und so schrecklich viele Menschen töten oder heimatlos und zu Flüchtlingen machen? Wenn Ostern nur ein fröhliches Frühlingsfest wäre, das das Ende der Winterzeit und das Wiedererwachen der Natur in Mitteleuropa feiert – dann wäre diese Fröhlichkeit in diesen Tagen tatsächlich eher unpassend.
Aber Ostern ist mehr. Es gibt in der mittelalterlichen christlichen Tradition ein Bildmotiv, das versucht, die Spannung zwischen dieser Welt, wie sie ist, und der Wirklichkeit der Auferstehung auszudrücken: das Lebensbaum-Kreuz. Wir sehen den gekreuzigten Jesus, angenagelt, tödlich verwundet. Aber das Kreuz, an dem er hängt – aus allen Seiten bricht das Leben heraus: grünende Blätter, reifende Trauben.  Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das Leben siegt.
 
Und wie kommen wir dahin, so etwas zu glauben? Die Ostergeschichten der Bibel haben da eine überraschende Antwort. Sie erzählen, dass die Jüngerinnen und Jünger Jesus bei seinen Erscheinungen nach seinem Tod nicht erkannt haben. Mehr noch – dass sie verwirrt, schockiert waren, dass sie glaubten Gespenster zu sehen. Erst ganz allmählich fanden sie eine Beziehung zu dieser so fremden neuen Realität – als der Auferstandene sie mit ihren Namen anredete, als er mit ihnen das Brot brach.
Und es brauchte noch einmal einige Zeit, bis sie verstanden, was diese Gegenwart Jesu bedeutete – nicht Wiederbelebung eines
Toten, und auch keine Wiederkehr einer unsterblichen Seele. Sondern Beginn einer neuen, verwandelten Schöpfung, die mitten hineinkommt in unsere chaotische und tödliche Welt.
Und so ist Ostern auch eine Herausforderung an uns. Wir müssen uns auf die Suche machen – nicht nur, wie die Kinder, auf die Suche nach den versteckten Ostereiern, sondern mitten in dieser Welt nach den Zeichen des Neuen. Es kann sein, dass diese Suche manchmal enttäuschend ins Leere läuft – oder auch völlig überraschend zum Ziel kommt.
Der Tod hat nicht das letzte Wort, die Schreckensbilder müssen nicht unsere einzigen Visionen bleiben. Wir müssen uns nicht von ihnen lähmen lassen und dem Tod nicht die Macht überlassen. Das Leben siegt – das ist die Vision, die uns aus der Lähmung holt und unseren Blick wieder klar macht für Wege der Gerechtigkeit und des Friedens.
Der jüdische Theologe und Dichter Schalom Ben-Chorin hat 1942, nach der Flucht aus Nazideutschland und mitten im Zweiten Weltkrieg und Naziterror gegen Millionen vermeintlicher Todfeinde Deutschlands in Israel ein Lied mit einer starken Vision geschrieben, die uns trotz allem auch in diesem Jahr wieder Ostern feiern lässt:
„Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt? - Dass das Leben nicht verging, soviel Blut auch schreit, achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit.“
(EG 620, 1+2)

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Passions- und Osterzeit,
Ihr
Rolf Kemner
Pastor in Weener und Bunde

[Gemeindebrief Nr. 141 - Frühling 2022]